1552 Gründung des Collegium Germanicum
Hintergrund
Beobachtern an der römischen Kurie in der Mitte des 16. Jahrhunderts war klar, dass das Vordringen der Reformation im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation nicht durch eine Reform des Klerus im Reich selbst zu bremsen sein werde.
Gründung des Kollegs
Unter Führung von Kardinal Morone gelang es ihnen in dieser Situation im Zusammenspiel mit Ignatius von Loyola, dem Gründer der Gesellschaft Jesu (Jesuitenorden), Papst Julius III. zur Gründung eines Priesterseminars für Studenten aus dem deutschen Sprachraum in Rom zu bewegen.
Nachdem es am 31. August 1552 durch die päpstliche Bulle „Dum sollicita“ rechtlich fixiert worden war, wurde das neue „Collegium Germanicum“ genannte Institut am 28. Oktober 1552 der römischen Öffentlichkeit vorgestellt.
Jesuitische Ideale
Die Leitung des Hauses wurde in die Hände der jungen Gesellschaft Jesu gelegt. Ignatius verfasste selbst die ersten Regeln für das Collegium Germanicum: mehrjähriges wissenschaftliches, vornehmlich theologisches Studium, religiös-sittliche Lebensführung auf der Grundlage der Ordensspiritualität mit einer aus dem Jesuitenorden übernommenen strengen Tageseinteilung, Empfang der Priesterweihe, Vorbereitung auf seelsorgerische Aufgaben und Rückkehr in ihre Heimat nach dem Studium.
Das Kolleg und der Adel
Das Neue dieser Richtlinien wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass die deutsche Reichskirche auf der Leitungsebene bis zur Säkularisation 1803 eine vom Adel dominierte Kirche war, in der zur Übernahme einer Führungsstellung ein kurzes Studium – oft in Kirchenrecht – ausreichte, die Priesterweihe nicht notwendig war und Verwaltungsaufgaben sowie standesgemäße adlige Lebensführung im Vordergrund standen. Die Geschichte des Collegium Germanicum bis zum Ende der alten Reichskirche ist deshalb auch davon geprägt, das Gründungs- und Gründerideal in der Auseinandersetzung mit der kirchenpolitischen Realität möglichst unversehrt zu bewahren. Dabei konnte und mitunter wollte vom Orden nicht verhindert werden, dass sich das Kolleg phasenweise zu einem ausgesprochenen Adelskolleg entwickelte, da ab dem Ende des 16. Jahrhunderts nach dem erklärten Willen des Heiligen Stuhls viele potentielle Stiftsherren und Bischöfe aus ihm hervorgehen sollten, um durch Ernennung von geeigneten Kandidaten den Bestand der kirchlichen Strukturen im Reich garantieren zu können.
Fundation
Eine ausreichende finanzielle Basis erhielt das Collegium Germanicum erst 1573 durch Papst Gregor XIII. Er übertrug dem Kolleg umfangreichen Land- und Grundbesitz, aus dessen Erträgen meist an die hundert Studenten unterhalten wurden, so dass das Ordensprinzip der gebührenfreien Ausbildung aufrecht erhalten werden konnte.
Vereinigung mit dem ungarischen Kolleg
1580 vereinigte Papst Gregor XIII. das Collegium Germanicum mit dem Collegium Hungaricum zum Collegium Germanicum et Hungaricum. Die Fusion war wirtschaftlich nötig und inhaltlich sinnvoll, da der Papst die katholische Kirche in beiden Reichen gleichermaßen von der Reformation bedroht sah und in der Heranbildung von Priestern als “furchtlosen Kämpfern für den Glauben” (Formulierung aus der Gründungsbulle des Germanicum) einen Weg sah, um auch der Kirche im Bereich der ungarischen Krone zu helfen.
Das Kolleg in der Krise
Die Aufhebung des Jesuitenordens 1773 bedeutete noch nicht das Ende des Kollegs. Unter Führung von Diözesanpriestern ging der Ausbildungsbetrieb weiter. 1781 verbot Kaiser Joseph II. im Zuge seiner staatskirchlichen Maßnahmen Studenten seines Herrschaftsbereichs das Studium in Rom und den Aufenthalt im Collegium Germanicum et Hungaricum. Stattdessen gründete er aus den Mitteln der Fundation des Kollegs in Oberitalien das Germanicum et Hungaricum in Pavia. Dieses Kolleg wurde 1798 geschlossen. (Heute beherbergt das Gebäude das Collegio Fratelli Cairoli) Die Ausweisung ausländischer Geistlicher aus Rom durch die französische Besatzungsbehörde brachte 1798 das Leben im Kolleg in Rom faktisch zum Erliegen.
Neuorganisation
Erst ab 1818 kam es allmählich wieder zur Aufnahme des Studienbetriebs. 1824 reorganisierte Papst Leo XII. das Kolleg als Institution in seiner heute bestehenden Form. Bezeichnend für das wiedererrichtete Kolleg war seine noch engere Anbindung an die Gesellschaft Jesu. Während in der Zeit vor 1798 Kardinäle als Stellvertreter des Papstes sich um die Belange des Kollegs kümmerten, lag diese Aufgabe nun beim Generaloberen der Gesellschaft Jesu. Auch räumlich war die Nähe zwischen Orden und Kolleg nun größer als vorher. Die Anfänge des wiedererrichteten Kollegs lagen in einem Haus des Ordens bei enger Anbindung an die Ordenskommunität, und erst seit 1927 sind das Kolleg und Ordensinstitutionen auch räumlich getrennt.
Romanitas
Staatskirchentum, Kulturkampf und antijesuitische Gesetzgebung, die einem Studium in Rom Hindernisse bis hin zu Verbot und Benachteiligung bei späteren Anstellungen in den Weg legten, sowie Stolz auf die neoscholastische Theologie der römischen Schule führten im 19. Jahrhundert zu einer größtmöglichen Identifikation der Studenten mit Papst und Orden.
Beziehung zu den Herkunftsländern
Rechtliche Gleichstellung erlangten die Studenten des Collegium Germanicum et Hungaricum in Deutschland und Österreich erst mit den Konkordaten des 20. Jahrhunderts, in denen der römische Studienabschluss staatlicherseits als gleichwertig mit einer an einer heimatlichen Hochschule erworbenen Qualifikation anerkannt wurde. Ab dieser Zeit stellen Absolventen des Kollegs wieder in nennenswerter Zahl Bischöfe und Hochschulprofessoren im deutschen Sprachraum, während sie im Jahrhundert zuvor in diesen Funktionen eher die Ausnahme bildeten.
Probleme und neue Chancen
Mit großem Geschick gelang es dem Collegium Germanicum et Hungaricum, die verschiedenen politischen Turbulenzen von 1870 (Enteignungen kirchlichen Vermögens im vereinigten Italien) bis 1945 (kommunistische Agitation gegen Großgrundbesitz) zu überstehen, wenn auch der Erste Weltkrieg nach dem Kriegseintritt Italiens gegen die Mittelmächte von 1915 bis 1919 eine Verlegung des Kollegs nach Innsbruck notwendig machte. Ein neuer Abschnitt in der Kollegsgeschichte begann nach 1989. Durch den Fall des Eisernen Vorhangs wurde die alte Internationalität des Kollegs wieder ermöglicht
Das Collegium Germanicum wurde im Jahre 1552 auf Bestreben von Kardinal Morone durch Papst Julius III. gegründet und 1580 mit dem Collegium Hungaricum vereinigt.
Literatur
- Andreas Kardinal Steinhuber: Die Geschichte des Collegium Germanikum-Hungarikum in Rom. Freiburg 1906.
- Conrad Gröber: Aus meinem römischen Tagebuch. Freiburg 1947.
- Peter Schmidt: Das Collegium Germanicum in Rom und die Germaniker. Zur Funktion eines römischen Ausländerseminars. (1552–1914). Tübingen 1984.
- Hugo Rahner: Ignatius und das Germanicum. In: Ders., Ignatius von Loyola als Mensch und Theologe. Freiburg 1964, 168 –187.
- Isidor Markus Emanuel: Sieben Jahren im roten Talar. Speyer 1970.
- Peter Walter: Die Gründungen des Collegium Germanicum et Hungaricum: Etappen der Kollegsgeschichte. In: Korrespondenzblatt. Jubiläumsausgabe zum 450jährigen Bestehen des Collegium Germanicum et Hungaricum 2002, S. 86–113. [online]